Gedanken zum Jahreswechsel… und zur „Halbzeit“ der Agentur
Dass unser Leben kompliziert ist, wissen wir alle. Nicht immer einfach zu verstehen, nicht einfach leicht zu verdauen, nicht immer gut zu planen. Da hilft es manchmal, bestimmte Geheimnisse zu entdecken, die das Leben einem einfach so und urplötzlich offenbart.
Bei mir war es das Mysterium der 7 Jahre. Irgendwann hatte ich entdeckt, dass mein Leben konsequent in 7-Jahres-Zyklen verlief. Es waren nie die „sieben fetten“ oder die „sieben mageren“ Jahre, von denen die Bibel spricht; aber es waren und sind jeweils ziemlich genau 7 Jahre mit ganz bestimmten Lebensphasen. Mit unterscheidbaren Stimmungen, erkennbaren Lerninhalten und notwendigen Entwicklungsschritten, die aufeinander aufbauen und mir dabei halfen, meinen Standort jeweils neu zu definieren.
In aller Kürze hier die Schlüsse daraus. Denn eigentlich ist das ja sehr individuell, und ich möchte den Leser auch nicht langweilen. Am Ende kommt es sowieso nur auf die verbindenden Elemente an – und, passend zur Jahreszeit, auf die daraus erwachsenden Wünsche an Sie und an mich selbst:
- 0-7: Kindheit
Ort: Familie – Lernerfahrung: Liebe (Elternhaus, Brüder, Mehrgenerationen) - 8-14: Rotzlöffel
Ort: Straße – Lernerfahrung: Spiel-Lust (Fußball, Banden, Bücher) - 15-21: Pubertät
Ort: Clique – Lernerfahrung: Widerstand (Grenzerfahrungen, KDV, Politik) - 22-28: Studium
Ort: Uni – Lernerfahrung: Theorie und Praxis (Seminare, Männergruppen, Lebensgemeinschaften) - 29-35: Berufsanfang
Ort: Redaktion – Lernerfahrung: Erwachsen werden (Neuland, Kollegen, Experimente) - 36-42: Berufsalltag
Ort: Lektorat – Lernerfahrung: Routine (Praxis, Sicherheit, Familie) - 43-49: Midlife
Ort: Programmleitung – Lernerfahrung: Herausforderung (Stellenwechsel, Neuorientierung, Frischwind) - 50-56: Konsolidierung
Ort: Verlagsleitung – Lernerfahrung: Personalverantwortung (Motivation, Strukturen, Bilanzen) - 57-63: Neuanfang
Ort: Agentur – Lernerfahrung: Freiheit (Selbstständigkeit, Abenteuer, Finanzautonomie)
Heute ist für mich „Halbzeit“ in dieser 9. Lebensphase. Zeit für den „Pausentee“ – und Zeit für die Fragen: Was habe ich gelernt, worauf kann ich aufbauen? Die verbindenden Elemente sind:
- der Mut (denn es lohnt fast immer, Risiken einzugehen, sich nicht auf dem Bestehenden auszuruhen)
- die Klarheit (die sich aus Fehlern, dem Nachdenken und dem Lernen daraus ergibt)
- die Eigenständigkeit (die der Rücksicht auf andere nicht widerspricht, sondern aus ihr erwächst).
Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte, dann wären das die unmittelbaren Folgen aus diesen Punkten, nämlich…
- diese Wünsche an mich selbst:
- bei allem Wert von Muße nie zu bequem im Kopf zu werden, nie dem Zeitgeist nachzurennen, Haltung zu zeigen
- bei aller notwendigen Reflektion nie ins Grübeln zu verfallen, erkennbar zu bleiben, positiv für etwas zu stehen
- bei aller Empathie für andere diesem anderen niemals die Verantwortung für das eigene Tun zu nehmen
- diese Wünsche an die KollegInnen in den Verlagen:
- den Mut, den ganzen Massen-Mist einfach mal wegzulassen (die Stammtisch-Bücher, die alten Parolen, das Nachmach-Buch)
- dem Autor, dem Agenten, dem Buchhandel gegenüber „klare Kante“ zu zeigen, eine ehrliche Stellungnahme (statt lala-Blabla: Denn „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein!“)
- ein eigenes Profil zu entwickeln (Erkennbarkeit statt Amazon)
- diese Wünsche an Agenten und AutorInnen:
- den Mut, sich den Themen der Zeit zu stellen (und nicht denen des Massen-Kommerzes hinterherzulaufen)
- Streitthemen, Standpunkte anzupacken, Schärfe hineinzubringen (und nicht dem Götzen „Sicherheit“ zu huldigen)
- die eigene Stärke und Stellung offensiv zu hinterfragen und zu vertreten (was kann ich gut, was weniger, was bin ich wert?)
- diese Wünsche an den selbstständigen Buchhandel:
- den Mut, am Buch festzuhalten (und die Puppen, Spardosen und Fanschals einfach dafür mal wegzulassen)
- persönlich für das gute Buch einzutreten (und den Massen-, Gewalt- oder -Sexseller ruhig den großen Ketten und Vertriebsfirmen zu überlassen)
- mit dem eigenen Namen (oder dem eigenen Label) offensiv nach draußen zu gehen (also den Zusammenhalt, die Tradition, das buchhändlerische Selbstbewusstsein höher zu stellen als den schnöden Mammon!)
- diese Wünsche an den treuen Kunden, die treue Kundin:
- den Mut, sich selbst auch mal ein anspruchsvolles, schwieriges, „dickes“ und etwas teureres Buch zuzutrauen (denn nur Kitsch und Massenware kostet fast nichts!)
- die Klarheit, „Gutes“ auch „gut“ und „Schlechtes“ eben „Mist“ zu nennen, diesen Stand-Punkt auch öffentlich zu machen und darüber draußen offen zu diskutieren (mit Klarnamen!)
- die Verantwortung, selber zu denken, selber zu recherchieren, selber auszuwählen, statt den Empfehlungen von Algorithmen zu trauen (jedes Gespräch mit einem guten Buchhändler oder einem Buchexperten in meiner Umgebung ist besser als die „persönlichen“ Empfehlungen von Amazon!)
Ich wünsche mir einfach mal: viele Experten – für das gute Buch, für das eigene Leben (und das ist niemand anders als wir selbst!). Also ein 2018 nicht mit „mehr Sicherheit“, sondern mit „mehr Buch“! Das bedeutet fast automatisch: weniger politische Dummheit, weniger Extremismus, weniger Populismus, weniger Gewalt.
Ich wünsche uns allen ein glückliches Jahr 2018 – mit (mindestens) einem guten Buch!